von Krystian Woznicki aus „Berliner Gazette“
Die brennende Frage unserer Tage lautet: Was ist eigentlich aus dem Journalismus geworden? Glaubwürdigkeit, Qualität, Unabhängigkeit – im Grunde steht alles, was ihn ausmacht auf dem Spiel.
Der Journalismus ist angezählt. Das K.O. könnte schon in der nächsten Runde kommen. Die Massenmedien drohen, ihre Watchdog-Funktion vollends zu verlieren. Die Verschmelzung der Überwachungsindustrie mit Sozialen Medien und digitalen Content-Anbietern lässt einen “Military-Entertainment-Complex” (Konrad Becker) entstehen, in dem Journalismus abgeschafft wird. Hier gibt es keinen Platz für Kritik, Widerspruch und Analyse. Geschweige denn für nackte Tatsachen.
Düstere Zukunftsmusik? Das Censorship-Regime in China zeigt schon heute, wie das konkret aussehen konnte: Die Zentralisierung der Datenströme ermöglicht eine zentral gesteuerte Kontrolle derselben. Je stärker ökonomische Umbrüche die Gesellschaft in Bewegung versetzen, desto stärker das Bedürfnis der mächtigen Eliten, die Gesellschaft (und die Informationströme) zu kontrollieren. Diese Mechanik zeichnet sich “nicht nur in China ab” (Sonya Song). Sondern global. Daran erinnern auch die Snowden-Enthüllungen. Und so bewahrheitet sich dieser Tage in neuer Weise: Während sich China dem Westen angleicht, wird der Westen immer mehr wie China.
Alternativen dazu? High-Visibility-Plattform – ohne User-Daten-Tracking. Wikipedia und The Pirate Bay wären Beispiele. Aber Fenster des unabhängigen Journalismus? Noch nicht. Das könnte sich ändern. Eine Inspirationsquelle: Im autoritären Staat Weißrussland wird von Aktivisten ein Webservice namens prokopovi.ch betrieben. Als unabhängige Geldwechselstube zu einer der beliebtesten Websites des Landes avanciert, öffnet die Plattform “ein Fenster für unzensierten Journalismus” (Stefan Candea). Auch andere High-Visibility-Plattform, die ohne User-Daten-Tracking und ohne zentralisierte Strukturen arbeiten, könnten solche Foren bieten.
Daraus ergeben sich folgende Forderungen:
1) Es gilt Graswurzelbewegungen zu fördern – sowohl innerhalb der Developer-Szene als auch innerhalb der Medienmacherszene: Hacker und (Bürger-)Journalisten sollten intensiver an gemeinsamen Visionen arbeiten.
2) Es gilt neue Kollaborationskulturen zu initiieren – welche, die über den Tellerrand der eigenen Expertenkreise hinaus neue Verknüpfungen suchen. In diesem Kontext: Journalisten sollten verstärkt mit Nicht-Journalisten zusammenarbeiten.
3) Es gilt Journalismus wieder stärker aus dem Zorn unserer Gegenwartserfahrung heraus entstehen zu lassen.
Zeigt Zorn!…
…um 4) dem Journalismus wieder eine deutlich vernehmbare Stimme des Widerstands gegen die Zumutungen des aufziehenden Military-Entertainment-Complex zu verleihen.
…um 5) Kollaborationskulturen nicht auf einen rein harmonischen Möglichkeitsraum zu begrenzen.
…um 6) Graswurzelbewegungen im Medienbereich wieder mit mehr politischer Spreng- und Innovationskraft auszustatten.
Schließlich:
…um 7) das Engagement im Journalismus nicht der populistischen Verlockung einer Gesellschaft im Zeichen des Like-Buttons preiszugeben.
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